Sonntag, 7. August 2011

Fantastic Plastic


Einer der wenigen Mülleimer auf den Straßen.
Der Mensch ist ein Wesen, das Dinge herstellt. Zunächst benutzte der Mensch dazu Holz und Stein, das war in der Steinzeit. Später kamen dann Bronze und Eisen, die ebenfalls den jeweiligen Zeitaltern ihre Namen gaben. Dann kam erst einmal eine ganze Weile nix. Und dann kam Plastik. 

Plastik ist ein extrem praktischer Werkstoff, man kann eine ganze Menge Dinge damit produzieren. Und von dieser Möglichkeit machen die Menschen ausgiebig Gebrauch. Das ist in Entwicklungsländern nicht anders als in den reichen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften. Vielleicht sogar noch ein wenig exzessiver.

Entsorgungsvariante A:  Stadtstrand, Accra
Weil es so praktisch und billig ist, ist es auch in Ghana omnipräsent. Vor allem eignet es sich hervorragend als Verpackungsmittel. Alles wird in Plastik verpackt: Trinkwasser kommt in Plastikflaschen oder, noch besser, eingeschweißt in kleine Plastiktüten zu 0,5l, genannt Satchets. Die sind nämlich deutlich billiger als die Flaschen. Außerdem kann man in Plastiktüten wunderbar Obst verpacken, oder Brot, oder Eier, oder überhaupt Essen, z.B. an den zahlreichen Straßenständen. Leider sind die weit verbreiteten schwarzen Plastiktüten nicht sehr reißfest, weshalb man inzwischen manchmal noch eine zweite oder dritte, stabilere, bunte Plastiktüte darüber bekommt. Kostet ja fast nix. Toll, dieses Plastik.

Es hat nur einen kleinen Haken, dieses Plastik: Es verrottet nicht. Es zu recyceln kostet aber Geld und ist aufwändig. Und so kommt es, dass Ghana ein Müllproblem hat, ein Plastikmüllproblem. Der Plastikmüll ist scheinbar überall: Am Straßenrand, im Abwassergraben, in den Flüssen, im Meer, am Strand, in den Mangroven, im Wald, in der Kakao-Plantage, in der Stadt und auf dem Land. Auf großen und kleinen Müllbergen vor der Stadt oder am Dorfeingang. Ab und zu werden die auch angezündet, was man dann – zusammen mit den Brandrodungen – sogar aus dem Flugzeugfenster sehen kann. Zumindest bei den größeren Haufen.

Entsorgungsvariante B: Abwassergraben
Die Regierung hat auch ihren Teil zum Plastikmüllproblem beigetragen: Bis vor einigen Jahren wurde Trinkwasser auf der Straße offen verkauft. Es wurde in Tassen ausgeschenkt und diese Tassen wurden nach der Benutzung wohl eher selten gründlich abgespült. Das war unhygienisch. Deshalb wurde diese Praxis verboten und Wasser durfte fortan nur noch in den erwähnten Satchets verkauft werden.

Jedoch hatten die Bürokraten nicht bedacht, dass die Dinger, sobald sie leer sind, auch entsorgt werden müssen. Leider sind Mülleimer auf der Straße jedoch ebenso selten wie umweltbewusste Ghanaer, weshalb das leere Satchet meist auf der Straße landet. Von dort spült es der nächste Regen in den offenen Abwassergraben, wo es sich zu der schwarzen Plastiktüte vom Straßenstand gesellt. Von dort gelangt es entweder direkt weiter in den Fluss, oder auch nur bis zur nächsten Ansammlung von noch mehr Plastikmüll. Dann sorgt das Satchet zusammen mit der schwarzen Plastiktüte dafür, dass der Abwasserkanal verstopft und überläuft. Oder sich zumindest das Wasser staut, worüber sich wiederum die Moskitos freuen, weil es sich darin so herrlich Eier legen lässt.
Ganz selten!

Mittlerweile ist das Problem aber so groß, dass sich langsam etwas zu bewegen scheint. Im ganzen Land ist die Firma „Zoomlion“ aktiv. Die kümmert sich um Müllabfuhr und Straßenreinigung, - zumindest ab und zu – und recycelt Satchets.  Auch Plastikflaschen wandern meist nicht in den Restmüll, sondern werden wiederverwertet.
So recht hinter her kommen die von Zoomlion aber nicht, auch wenn sie neben den sehr seltenen, richtigen Müll-LKWs noch etwas häufigere dreirädrige Fahrrad-Müllabfuhr-Dinger einsetzen. Die werden meist per Pedal angetrieben, gelegentlich aber  auch mit einem knatternden Rasenmäher-Motor.

Etwas häufiger.
Es gibt aber auch kreative Ansätze sich mit dem Müllproblem auseinanderzusetzen: „Trashy Bags“ sind aus leeren Satchets zusammengenähte Taschen, Geldbörsen und Rucksäcke von erstaunlich guter Qualität. Auch gibt es gezielte Versuche, das Bewusstsein für die Müllproblematik zu schaffen: So stand das diesjährige „Environmental Film Festival“ in Accra unter dem Motto Müll. Auch mahnt an allen Ecken von Accra der Hinweis „Keep the City clean“.

Allerdings bislang noch ohne rechten Erfolg. Und so schmeißt der durchschnittliche Ghanaer auch weiterhin recht ungerührt sein Satchet und seine schwarze Plastiktüte aus dem Trotro-Fenster. Letztere werden gerüchteweiser übrigens von Zoomlion hergestellt. Aus alten Satchets.

Frommer Wunsch.

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