Mittwoch, 25. Mai 2011

Freizeitgestaltung


Typische Tage sehen unter der Woche hier so aus: Zwischen 6 und halb 7 wird aufgestanden, anschließen geht es mit – oder auch ohne Frühstück – mit Trotro oder Taxi in die Arbeit. Zwischen 5 und 6 mit den gleichen Verkehrsmitteln zurück, Abendessen, vielleicht noch ein wenig auf der Veranda sitzen, bevor es meistens bald darauf recht zeitig wieder ins Bett geht. Das hat den Vorteil, dass es Wochentags nicht viel Freizeit gibt, die gestaltet werden müsste. Der Nachteil ist jedoch, dass man sich, erstens auf Dauer körperlich und geistig etwas unterfordert fühlt und es, zweitens auf Dauer doch arg öde wird.

Die logische Konsequenz: Am Wochenende muss etwas gegen die körperliche und geistige Unterforderung getan werden. In einer Stadt wie Accra, mit irgendwas zwischen 2 und 3 Million Einwohner ja nicht gerade klein, sollte da doch etwas gehen. Könnte man meinen. Ist auch so, wenn man weiß wie und wo.

Beginnen wir mit dem Thema Sport: Parks gibt es praktisch keine, die Straßen sind mit stinkendem und rußendem und überhaupt eh lebensgefährlichem Verkehr überfüllt. Joggen fällt also aus. Es gibt zwar tatsächlich ab und zu einen hartgesottenen Ghanaer, der ungerührt die Ring Road entlang jogged, es handelt sich dabei jedoch eindeutig um eine sehr exotische Spezies. Zum Nachahmen lädt das jedenfalls nicht ein.

Was also dann? Der Reiseführer listet einige Fitnessclubs auf, die jedoch alle entweder nur für Mitglieder oder teuer oder zu weit ab vom Schuss oder alles zusammen sind. Unter all den noblen Adressen findet sich jedoch auch der „Akumah Nelson Sports Complex“, der der Stadt gehört. Es soll dort eine ganze Reihe von Sportgelegenheiten geben, von Boxen über Fußball zu Tennis und Schwimmen. Zwar heißt es, die Anlagen seien momentan nicht im besten Zustand, aber hey: Der Reiseführer ist ja auch nicht mehr taufrisch.

Also: Ansehen und Ausprobieren! Als wir dort ankommen, sind die Anlagen tatsächlich nicht in ganz so einem schlechten Zustand wie man das nach der Beschreibung erwarten konnte. Sporteln gestaltet sich aber dennoch etwas schwierig hier. Die einzige pärchentaugliche Sportanlage wäre der Tennisplatz. Der sieht zwar sogar richtig gut aus, nur hilft das leider nicht viel, wenn man keine Schläger hat. Einen Sportgeräteverleih gibt es nämlich ebenso wenig wie das angekündigte Schwimmbad.

Was nun? Schwimmen wäre ja auch ganz nett. Aber wie, wenn es keine öffentlichen Bäder gibt und das Meer auf Grund von Wellen und Müll auch keine Alternative ist? Zum Glück sind wir Obrunis und auch als Studenten nicht ganz arm und können es uns daher zumindest einmal leisten uns in einem der zahlreichen noblen Hotels der Stadt am Pool einzuquartieren. Umgerechnet etwa 7 Euro kostet das beispielsweise im „Golden Tulip“, einem Vier-Sterne-Quartier mit ganz anständigem Plantschbecken.

Ständig können aber auch wir uns das nicht leisten und so stellt sich umso mehr die Frage, wie sich die Einheimischen fit halten. Das betrifft dabei die Frauen noch mehr als die Männer, denn zumindest die Jungs sieht man regelmäßig beim kicken, wo auch immer sich gerade ein freier Fleck dafür finden lässt. Frauen beim Sport haben wir jedoch nicht entdecken können.

Das Bewegungsmangel-Problem war also mit etwas finanziellem Einsatz zunächst gelindert. Blieb das Problem der mangelnden geistigen Betätigung. Abhilfe würde hier beispielsweise ein Buch schaffen. Oder allgemein etwas Kultur.

Zunächst zu „Mission: Buch“: Es ist nicht leicht in Accra etwas zu lesen zu finden, wenn man von lokalen Tageszeitungen, die an jeder Straßenecke angeboten werden, einmal absieht. Deren Qualität – sowohl die journalistische als auch ganz simpel die des Drucks – lässt jedoch oft so sehr zu wünschen übrig, dass es selten eine Freude ist, sie zu lesen.

Gut, in den Tankstellen finden sich mitunter ein paar Zeitschriften und internationale Zeitungen, ebenso im „Koala“, einem der wenigen Supermärkte. Das Angebot ist allerdings nicht gerade sonderlich gut sortiert ist (Berliner Zeitung vom Februar, Times vom Oktober 2010) oder wird zu Mondpreisen verkauft wird.

Die Suche nach einem Buchladen - insbesondere einem anständig sortiertem - gestaltet sich aber noch schwieriger. Im Einkaufszentrum Accra Mall gibt es einen Buchladen, die meisten Bücher dort sind jedoch entweder auf den ersten Blick am Einband als Schnulzenromane zu erkennen oder es handelt sich um Sachliteratur. Nicht unbedingt das, was sich zum Abschalten eignet.

Ich bin ja nicht mal so anspruchvoll, ich würde mich ja sogar mit einem Dan-Brown-Wälzer zufrieden geben. Im Moment setzte ich ganz auf eine Holzbude am Straßenrand in der Nähe. Leider hatte die am letzten Wochenende natürlich zu und unter der Woche schaffe ich es zeitlich kaum da vorbeizuschauen. Allerdings sind mir auch Gerüchte über einen Buchladen irgendwo in Osu, also ganz in der Nähe meiner Arbeit, zu Ohren gekommen. Es scheint also noch nicht alles verloren zu sein!

Und wie sieht es mit ein wenig geistig-kulturelle Ablenkung aus? Accra besitzt zwar ein hochmodernes (wenn auch nicht unbedingt schönes) Nationaltheater. Da es aber über kein eigenes Ensemble verfügt, wird es nur sporadisch bespielt wird.

Etwas Hoffnung machte immerhin die Ankündigung der „Cultural Days in May“ im Daily Graphic, eine der besseren Zeitungen. Es handelt sich dabei um einer Art Kulturfestival mit verschiedensten Veranstaltungen an verschiedenen Orten. Den Auftakt bildeten Konzerte zweier preisgekrönter ghanaischer Bands in der „Alliance Francaise“, so etwas wie das französische Pendant zum Goethe-Institut. Die Konzerte waren dann auch recht schön.


Leider hatten aber sowohl die Veranstalter als auch die Journalisten vergessen eine Zeit anzugeben und auch im Internet waren kaum Infos zu bekommen. Überraschenderweise war dann doch einiges los, allerdings bestand das Publikum zur Hälfte aus Obrunis und beim Rest handelte es sich wohl größtenteils um die jeweiligen Fanclubs der beiden Bands. Ein breiteres, einheimisches Publikum war nicht anwesend.

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren: Mit regulär sechs Cedi (Studenten: zwei Cedi) zu teuer? Schlechte Öffentlichkeitsarbeit? Oder ist der durchschnittliche Ghanaer einfach nicht sonderlich kulturbegeistert?


P.S: Den sagenumwobenen Buchladen in Osu gibt es tatsächlich und er ist zumindest besser sortiert als der in der Accra Mall, auch wenn er noch lange nicht an europäische Standards herankommt. Immerhin habe ich jetzt ein Buch, sogar von einem Ghanaer geschrieben. Außerdem hat sich an der Sportfront neues ergeben: Das Aviation Social Centre am Flughafen scheint eine ganz gute Option zu sein und wurde von Steffi schon erfolgreich getestet. Außerdem gibt es eine Internetseite für „Expatriates“ (in Ghana lebende Ausländer), die erste Hilfe in sportlichen Notfällen leistet. Wer suchet, der findet!

P.P.S: Bei besserer Internetvebindung folgt noch ein Video! 

Donnerstag, 12. Mai 2011

Von Busreisen, Traumstränden und Zivilisationsfolgeschäden

Eigentlich müsste der Blog jetzt „Akwaaba Abrofo“ heißen (Laut einem der Fahrer in der Friedrich-Ebert-Stiftung ist das der Plural von „Obruni“; Ich habe aber auch schon die Version "Aburoni" gesehen und werde diesem Sprachenrätsel daher weiter nachgehen), denn seit einer Woche habe ich eine Co-Autorin: Steffi ist da! Deshalb nicht wundern, wenn in Zukunft öfter mal von „wir“ die Rede sein wird. 

Da wir ja aber nicht nur zum Arbeiten hier sind und Ghana angeblich auch eine ganze Reihe paradiesischer Strände zu bieten hat, war klar wohin es gehen soll: Ans Meer! Genauer, zur Green Turtle Lodge in der Nähe von Cape Three Points in der Western Region. Die Reiseführer versprechen einen magischen Ort und jeder Praktikant in Accra scheint sie zu kennen oder schon von ihr gehört zu haben. Also, nichts wie hin!

Die Fahrt dorthin entwickelte sich dabei aber zu einer ersten Prüfung für Geduld und Nerven. Die Fahrt sollte rein rechnerisch etwa fünf bis sechs Stunden dauern, mit dem Trotro zunächst nach Takoradi, der nächsten größeren Stadt. Von dort mit einmal umsteigen ebenfalls mit Trotros weiter bis kurz vor Akwidaa, dem nächsten Fischerdorf nahe der Green Turtle Lodge. Daher sollte es spätestens um 12 Uhr aus Accra losgehen um möglichst noch vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Soweit der Plan.

Nun, es wurde dann ein wenig später, weshalb wir uns entschieden den Reisebus zu nehmen. Vielleicht ist der ja ein wenig schneller und zuverlässiger als das Trotro. Soweit der naive Gedanke. Als wir um kurz nach ein Uhr am Busbahnhof ankamen, hieße es, der nächste Bus würde um 2.30 Uhr fahren. Nun, nicht ideal, aber immer noch besser als jetzt noch einmal ein Taxi zur Trotro-Station zu nehmen und dann nicht zu wissen, wann das Trotro losfährt.

'Unsere' Hütte
Es wurde 2.30 Uhr, es wurde 3.30 Uhr… kein Bus. „When is it leaving?“ – „Anytime soon“. Aha. ‚Anytime soon’ hieß letzten Endes 16.15 Uhr, die Fahrt begann damit mitten im Berufverkehr. Zusammen mit all den Vorortbewohnern schob sich also unser Reisebus im Stop-and-Go-Verkehr langsam aus der Hauptstadt und es wurde langsam klar, dass der meist recht flüssige Verkehr auf der Ring Road doch eher die Ausnahme darstellen muss.

Mit Einbruch der Dämmerung hatten wir dann endlich Accra hinter uns gelassen. Es wurde dunkel und die Landschaft zog nur noch in Schatten an uns vorbei. Die Leselampen gingen nicht, es blieben damit nur Seifenopern aus nigerianischer Produktion als Ablenkung, die in ohrenbetäubender Lautstärke auf dem Bord-Fernseher liefen.

Fünf Stunden lang, denn dank des Berufverkehrs in Accra waren die eigentlich angesetzten vier Stunden Fahrtzeit nicht mehr zu halten. Dabei tickte die Uhr, wir mussten schließlich noch weiter. Immer wieder der bange Blick auf die Zeit. Immer wieder der Versuch herauszufinden, wo wir uns gerade befinden. Die Frage, wie lange es wohl noch dauern würde, stellten wir schon gar nicht mehr.

Fischerboote in Akwidaa
Um halb 10 waren wir endlich in Takoradi. Tolle Sache. Dunkel war es schon lange, nun waren wir auch noch in einer unbekannten Stadt, die seit Beginn des Ölbooms allerlei ehrliche wie unehrliche Leute in Scharen anzieht. Zu einer Uhrzeit, zu der kein Trotro mehr irgendwohin fährt. Taxis zum Glück allerdings schon noch, wenn auch zu einem ganz ordentlichen Preis. Doch was half es, wir mussten und wollten weiter und hatten es eilig. Der Taxifahrer offenbar auch, er legte jedenfalls eine sehr sportliche Fahrweise an den Tag. ‚Zum Glück kennt er die Straße ja wie seine Westentasche’ war ein wiederkehrender Gedanke.

Nach einer halben Stunde konnte aber auch unser Taxifahrer nicht mehr schnell, dafür war nun die Straße wirklich viel zu schlecht geworden. Auf einer unbefestigten und vom Regen zerklüfteten Schotterpiste ging es noch eine weitere halbe Stunde durch die Nacht, teilweise im Schritttempo, bis wir um kurz nach 11 Uhr endlich angelangten.

Unendliche Erleichterung machte sich breit, als wir schließlich unsere Hütte betraten: Geräumig, und wunderschön eingerichtet. Ein Himmelbett aus Bambus, eigene Dusche und Toilette, alles mit Liebe zum Detail gestaltet. Die Strapazen hatten sich gelohnt. Das Bild setzte sich am nächsten Tag bei Licht fort: Hübsche kleine Rundhütten unter Palmen, ein altes Fischerboot als Bar und ein Traumstrand direkt vor der Türe. In den nächsten Tagen verlor die Zeit zunehmen an Bedeutung, wir verbrachten die Zeit mit Lesen, Baden und leckerem Essen.

Und das alles auch noch mit recht gutem Gewissen: Die Green Turtle Lodge hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Soweit irgend möglich sind alle Gebäude aus lokalen Materialien von lokalen Arbeitskräften errichtet worden. Der Strom stammt aus Solarpanelen, die Toiletten sind selbst-kompostierend.

In der Küche wird der frische Fang aus dem nahegelegenen Fischerdorf zubereitet, was ungefähr so aussieht: Ein kleines Kanu hält kurz vor der Brandung, der Fischer springt ins Wasser und taucht wie Poseidon aus der Brandung wieder auf. Er trägt einen riesigen Fisch an den Kiemen in die Küche. Nach kurzer Zeit kommt er wieder zurück, springt in die Wellen, klettert zurück in sein Kanu (das in der Zwischenzeit wundersamer Weise keinen Zentimeter abgetrieben wurde) und paddelte wieder von dannen. Auch sonst kommen so viele Zutaten wie möglich aus der Umgebung, etwa Obst und Gemüse.

Nachbardorf 'Cape Three Points'.
Ein Teil der Einnahmen aus der Lodge geht in einen Schul-Fond zu Gunsten des Dorfes und in den Schutz der am Strand nistenden Meeresschildkröten. Gleichzeitig sind zahlreiche Arbeitsplätze entstanden, durch die Lodge selbst und durch die angebotenen Touren. Insgesamt arbeiten etwa 30 Leute für die Lodge, was deutlich mehr zu sein scheint als wohl eigentlich nötig wäre.

Doch auch wenn die Green Turtle Lodge wie aus dem Paradies zu sein scheint: Die Realität bleibt immer in greifbarer Nähe. Nicht nur in Accra, auch in dieser ländlichen Gegen gibt es eindeutig ein Müllproblem. Verlässt man den Strandbereich direkt vor der Lodge, der regelmäßig gereinigt wird, ist auch hier alles mit Plastikmüll übersäht. In den Mangroven der nahegelegenen Lagune wiegen sich Plastiktüten in der leichten Strömung.

Die Menschen in Akwidaa leben Großteils in Lehmhütten die nur etwas über dem Meeresspiegel liegen und die so aussehen, als hätten sie einem wirklich starken Regen oder einer Sturmflut nicht viel entgegen zu setzen. Wenn man durch die verwinkelten Gassen streift, erntet man durchaus den einen oder anderen misstrauischen Blick, man fühlt sich irgendwie fehl am Platz.

Nur die Kinder sind äußerst kontaktfreudig. Auch wenn manche tatsächlich nur neugierig sind, so steigert man die eigene Attraktivität doch ungemein, wenn man den Fehler begeht eine Wasserflasche aus Plastik offen mit sich herum zu tragen. Manche wollen einem auch eine Kokosnuss verkaufen, andere fragen aber auch direkt nach einem Cedi, ohne eine Gegenleistung anzubieten.

Unweit des Strandes am Ortsausgang befindet sich die örtliche Müllkippe. Die Plastikdichte steigt in diesem Bereich des Strandes rapide an, der auch als öffentliche Bedürfnisanstalt dient, da so etwas wie Kanalisation oder sanitäre Anlagen nicht existiert. Gleichzeitig ist der Strand aber auch Spielplatz. Am letzten Nachmittag sitzen wir in einer kleinen Bar, am Strand kicken einige Kinder. Es gesellt sich ein Brite zu uns. Als er die fußballspielenden Kinder sieht, kommentiert er, dass die Kinder hier ja eigentlich ganz gesund aufwachsen würden. Von Ironie ist in seiner Stimme dabei aber nicht viel zu bemerken.



Montag, 2. Mai 2011

Schwimmen lernen

Hier beginnt langsam die Regenzeit. Das heißt nicht, dass es die ganze Zeit regnet, aber die Gewitter und Regenschauer häufen sich. Und wenn es regnet, dann tut es das sehr konsequent. Das Ergebnis könnt ihr in diesem kleinen Video begutachten:

Mein bisheriges Zimmer liegt im Souterrain. Das Wasser kam wohl durch einen Rückstau durch den Abfluss der Dusche. Das Gewitter begann so richtig etwa um 10 Uhr als ich ins Bett ging. Ich hatte zwar einen 13-Stunden-Tag hinter mir, konnte jedoch nicht schlafen, weil Donner und Regen für eine eindrucksvolle Geräuschkulisse sorgten. Als ich nach einer Stunde Durst bekam und aufstehen wollte um mir etwas Wasser zu holen, musste ich feststellen, dass bereits Wasser da war. Und zwar mehr als genug. Die Schäden hielten sich aber zum Glück in Grenzen, lediglich einen Reiseführer muss ich als Totalverlust abschreiben.
Da ich heute jedoch in 1. Stock umziehen werde, stehen die Chancen zudem ganz gut, dass sich das nicht mehr wiederholen wird.