Sonntag, 21. August 2011

Das Leben ist zu kurz um kein Fufu zu essen!


Ghana ist zum Glück eines der afrikanischen Länder, die nicht immer wieder mit Hungersnöten auf sich aufmerksam machen. Im Gegenteil, entsprechen doch gerade viele Frauen nicht dem westlich-dürren Schönheitsideal. Entscheidend mitverantwortlich dafür dürfte das ghanaische Essen sein, das sehr deftig ist.

Im Gegensatz zu Deutschland (Schweinsbraten in Dunkelbiersoße und Kartoffelknödel) werden die wichtigsten Gerichte hier nach dem stärkehaltigen Sattmacher benannt. Dann kommt der fettige Geschmacksträger, meist eine kräftige Suppe oder ein Eintopf und zum Schluss die gewünschte Eiweißbeilage (Meist Ziege, Hühnchen, Fisch, Rind. Schwein ist so gut wie unbekannt). Auf den deutschen Klassiker angewendet, müsste man also Kartoffelknödel in Dunkelbiersoße und Schweinsbraten bestellen.

Auch wenn kaum rein vegetarische Gerichte zu bekommen sind, macht Fleisch und Fisch aber in den meisten Fällen nur einen relativ kleinen Teil des Gerichts aus. Gerade an billigen Straßenständen handelt es sich zudem meist auch nur um importierte Schlachtabfälle. Wer isst in Europa auch schon gerne Hühnchenrücken? Da die billigen Importe zudem die einheimischen Viehzüchter ruinieren, sind demgegenüber gute Fleischstücke - wie Keule oder Hühnchenbrust - unverhältnismäßig teuer.

Eine weitere allgemeine Eigenschaft des ghanaischen Essens ist, dass es im Normalfall würzig bis scharf daherkommt, was an den in den unterschiedlichsten Größen und Farben erhältlichen frischen Pfefferschoten liegt, die eigentlich in keinem ghanaischen Gericht fehlen dürfen. Gegessen wird in der Regel mit der Hand. Der Rechten, wohlgemerkt, da die linke für andere, weniger appetitliche Tätigkeiten vorbehalten ist. Da auch Suppen mit der Hand gegessen werden, erfordert das eine gewisse Geschicklichkeit. Doch bevor man verhungert, ist es in den meisten Lokalen auch kein Problem einen Löffel zu bekommen.

Was dem Bayern der erwähnte Schweinsbraten, das ist dem Ghanaer sein Fufu. Dabei handelt es sich um einen großen, etwas zähen gelblich-weißen Kloß, der normalerweise in einer großen Schale Suppe schwimmt. Beziehungsweise eher liegt, denn zum schwimmen ist er viel zu schwer. Überhaupt ist Fufu kein leichtes Essen. Es fühlt sich eher so an, als könnte man auch einfach den ganzen Kloß, so wie er ist, an den Bauch drankleben. Ist man mit seinem Fufu fertig, fühlt es sich mitunter an, als hätte man einen Stein im Magen. Doch auch wenn das jetzt abschreckend klingt: Fufu ist lecker! Was aber zu einem guten Teil auch von der Begleitung in Suppenform abhängt. Für sich genommen schmeckt das Fufu nämlich eigentlich nach eher wenig, was auch an den Zutaten liegt: Es wird meistens aus  Cassava (ist eine Art von Maniok und erinnert entfernt an eine gigantische Kartoffel) und etwas Kochbananen hergestellt. Das ganze wird in einem großen Mörser so lange gestampft, bis es die gewünschte, etwas zäh-klebrige Konsistenz erreicht hat. Dabei gibt es im wesentlichen zwei Stampf-Techniken, die beide zwei Personen erfordern. Bei der einen gibt es einen Stampfer und einen „Wender“. Der Wender ist dabei dafür zuständig zwischen jedem Stampfer den Kloß im entstehen ein Stück weit zu drehen. Das erfordert einiges an Taktgefühl, sonst erhält das Fufu eine eingebaute Fleischbeilage (Finger). Bei der zweiten Technik wird zu zweit gestampft. Immer abwechselnd, in einer Art und Weise, dass sich der werdende Kloß von selber dreht.
 
Serviert wird das Fufu mit einer von drei Suppen: Groundnut- (Erdnuss-), Palmnut- oder Lightsoup. Während die Lightsoup im Prinzip nichts anderes als eine leichte Tomatensuppe und die Palmnutsoup eine furchtbar ölige Angelegenheit ist, ist die Groundnutsoup so etwas wie die Königin unter den ghanaischen Suppen: Dick und gehaltvoll, aus viel Erdnussbutter, Zwiebeln, Tomatenmark, etwas Ingwer hergestellt ist sie normalerweise einfach richtig lecker. Allerdings verliert sie schnell viel von ihrem Appeal, wenn Salz fehlt oder, noch schlimmer, zu wenig frischer Pfeffer beigemengt wurde. Abgesehen von Fufu sind Omo Tuo genannte Reisbälle die klassische Beilage zu dieser Suppe, was ebenfalls eine extrem leckere Kombination ist.

Neben Fufu gibt es noch einen zweiten Allrounder in der ghanaischen Küche, das ist Banku. Dabei handelt es sich um einen sehr klebrigen und säuerlichen Maisbrei, der ebenfalls in Kloßform serviert wird. Auch Banku kann theoretisch eigentlich mit allen drei oben genannten Suppenformen serviert werden, meistens kommt es jedoch in Begleitung einer der widerlichsten Sachen daher, die Ghana in kulinarischer Hinsicht zu bieten hat: Okro-Stew, ein aus Okra-Schoten hergestelltes schleimiges Etwas, das auch von den riesigen schwarzen Waldschnecken stammen könnte, die überall auf dem Markt noch lebend verkauft werden. Ein Blick auf das Foto genügt vermutlich.  

Neben diesen beiden Hauptpfeilern der hiesigen Gastronomie, Fufu und Banku, gibt es aber auch noch eine ganze Reihe andere interessanter Gerichte: Red-Red, das aus Bohnen, etwas „Peppe“ (zerstoßenem frischen Pfefferschoten in Öl), einem ordentlichem Schwung Palmöl (verantwortlich für die rote Farbe) und einer mehr oder weniger großen Brise Gari besteht. Gari sieht zwar ein wenig aus wie gemahlener Parmesan, ist aber lange nicht so schmackhaft. Eigentlich schmeckt es nach kaum etwas (kein Wunder, ist es doch getrocknete und gemahlene Cassava) und ist vor allem dazu da, satt zu machen. Weil es extrem saugfähig ist, neigt es dazu das eigentlich sehr leckere Red-Red in eine trockene Pampe zu verwandeln, wenn man es nicht sparsam anwendet. Als Beilage gibt es dazu meistens frittierte Kochbananen.

Eine ebenfalls weit verbreitete Beilage zu Gemüse- oder Spinateintöpfen (Palaversauce genannt und eigentlich nicht direkt aus Spinat, sondern „Kontomire“ hergestellt) ist Yam. Das ist ebenfalls eine Art Maniok / viel zu groß geratene Kartoffel. Bei der Zubereitung hat man dabei die Wahl zwischen Pest (gekocht) und Cholera (in viel zu großen Stücken frittiert). Das kleinste Übel sind noch Yam-Chips, die entfernt an Pommes erinnern und ganz genießbar sind. In den anderen beiden Fällen braucht es jedoch schon eine ganze Menge Soße oder Eintopf, damit einem das trockene Ding nicht im Hals stecken bleibt.

Daneben gibt es noch einen ganzen Haufen anderer essbarer Dinge, etwa Obst. Besonders die sehr leckeren Mangos, Ananas und Papayas sind da erwähnenswert, die überall an den Straßen verkauft werden. Die meisten Obstverkäuferinnen sind auch gerne bereit das Obst mit den unterschiedlichsten und mitunter artistischen Schältechniken in mundgerechte Stücke zu schnippeln.  Allerdings ist auch hier das Obstangebot gewissen saisonalen Schwankungen unterworfen. Auch lässt sich mit den weit verbreiteten Avocados, Tomaten, Limetten und gerösteten Erdnüssen ein sehr schmackhafter Salat zubereiten. Als kleiner Snack zwischendurch werden vielerorts außerdem blaugekochte Eier mit einer leckeren Pfeffersoße, Kochbananenchips, Kokosnüsse und diverse, meist jedoch leider staubtrockene Gebäcksachen wie Würstchen im Schlafrock oder mit Hackfleisch gefüllte Mürbteigtaschen verkauft. Abends werden neben den meisten Bars Kebabs verkauft, die eigentlich eher an Schaschlikspieße erinnern und sehr lecker gewürzt sind.

Besonders als Frühstück geeignet ist Eggbread, ein Omlett im –idealerweise – getoasteten Brot. Allerdings gibt es dabei deutliche Qualitätsunterschiede: Mal kommt das Omelette mit gemüseschnippeln, mal ohne. Mal ist das Brot getoastet, mal nicht. Überhaupt muss man mit stark schwankender  Qualität rechnen, auch bei Restaurants. Die Gastronomie ist lange nicht so ausgereift und perfekt durchorganisiert wie in Deutschland und ist nicht mit europäischen Standards zu messen. Auch was eine gute Bedienung ausmacht, wird hier offenbar anders definiert. Zudem ist die Preisspanne enorm: Billigste Straßenstände, an denen das Omo Tuo mit Groundnutsoup nur umgerechnet 25 Cent kostet, befinden sich direkt neben europäisch-teuren (und seltenen) Supermärkten oder schicken – dann aber häufig von Ausländern geführten – Restaurants.

Gerade an den Straßenständen ist das zudem mit der Hygiene noch so eine Sache: Kein frisches Wasser, direkt an den offenen Abwasserkanälen und neben den Autoabgasen, in der prallen Sonnen. Da sind die Chancen ganz gut, dass das eine oder andere Fleischstück wieder zu leben beginnt und sich die meisten Europäer irgendwann doch noch eine deftige Gastritis einfangen. Doch auch im teuren Supermarkt ist man nicht vor vergorenem Joghurt gefeit.

Neben diversen Bakterien kann es außerdem passieren, dass man gewisse „Extras“ im Essen findet, mit denen man nicht gerechnet hatte, etwa die Schwanzflosse eines Fisches oder kleine Knochensplitter im ansonsten vegetarischen „Vegetable Stew“. Auch werden öfters Innereien in Eintöpfen verarbeitet. Wer also keine Lust auf ein Stück zotteligen Rindermagen hat, sollte ein wenig wachsam sein.

P.S: Entschuldigung für die verdrehten Fotos, aber irgendwie mag uns Blogspot nicht und weigert sich beharrlich, die Bilder richtig gedreht anzuzeigen. Wir würden euch daher bitten, selbst die Köpfe ein wenig zu drehen.

Montag, 15. August 2011

Aus dem Reisealltag eines Obrunis


Gelegentlich muss ein LKW als (illegales) Trotro herhalten.
Man sagt ja gemeinhin, dass die Welt ein Dorf sei, besonders wenn man mal unerwartet an einem abgelegenen Ort einen Bekannten trifft. Die Frage ist: Wenn die Welt schon ein Dorf ist, was ist dann Ghana? Denn irgendwie trifft man hier ständig dieselben Leute. 


In der kleinen Stadt Hohoe, mitten am Markt: ein Bekannter aus Accra. Im Mole Nationalpark: Kwame, der Manager des Rainbow Garden Village vom Lake Bosumtwe, auf Tour mit einer Reisegruppe. In Kumasi: die Familie, die man bereits in Tamale im Guesthouse getroffen hat. Im Kakum Nationalpark an der Küste: Dieselbe Gruppe blonder Volunteer-Mädels, naiv und frisch von der Schule, die einem bereits in Mole auf den Wecker ging. Und nicht zu vergessen: Kofi Annan, ebenfalls im Kakum Nationalpark. Ja, genau, der Kofi Annan, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen. Auch wenn er auf den ersten Blick nicht so leicht zu erkennen war, in legerer Freizeitkleidung und mittlerweile etwas runder um den Bauch herum. 

Ghana ist ganz grob betrachtet ein Rechteck, ungefähr 800 mal 500 Kilometer. Genug Platz um eigentlich nicht ständig die gleichen Gesichter zu sehen. Könnte man denken. Da Ghana aber als Ganzes touristisch eher wenig erschlossen ist, konzentrieren sich die Reisenden an ein paar Orten. Während man im Regelfall der einzige Weiße im Bus oder Trotro ist, steigt die Obruni-Dichte doch deutlich an, sobald man sich den großen Attraktionen nähert:

In Wli bei Hohoe befindet sich Westafrikas höchster Wasserfall. Mole ist einer der besten Orte um Elefanten aus nächster Nähe zu sehen, im Regenwald von Kakum befindet sich der angeblich einzige Canopy-Walkway Afrikas. Außerdem sind die Sklavenburgen von Cape Coast und Elmina in unmittelbarer Nähe. Da die meisten Reisenden außerdem entweder mit dem Reiseführer des Peter-Mayer-Verlags (die Deutschen, von denen es einen ganzen Haufen gibt) oder dem Bradt-Guide (alle anderen) unterwegs sind und in beiden Büchern in etwa das Gleiche steht, ist es auch kein Wunder, dass man in den Hostels und Guesthouses immer wieder dieselben Leute trifft. 

Einer der unangenehmen Nebeneffekte davon, dass sich der Tourismus so sehr an wenigen Orten konzentriert, ist, dass man dort dann umso aggressiver von Möchtegern-Guides, Souvenirverkäufern und Taxifahrern angegangen wird, die einem irgendetwas verkaufen möchten. Die meisten scheinen davon auszugehen, dass man als Obruni Geld hat (was zumindest im Vergleich mit den Einheimischen oft zutreffend sein dürfte) und dass man dieses Geld auch in Ghana ausgeben möchte (was meistens nicht zutreffend sein dürfte, aber auf wenig Verständnis stößt). Mitunter können gerade die Händler recht penetrant sein, etwa wenn sie ärgerlich werden, wenn man auf den duzendsten „Obruni“-Zuruf nicht reagiert oder wenn sie gar versuchen einen regelrecht mit Gewalt festzuhalten, wie in Kumasi.

Nicht fotoscheue Ghanaer.
Dieses geballte Ausmaß unerwünschter Aufmerksamkeit kann mitunter ganz schön anstrengend werden, besonders wenn sich auch noch bettelnde Kinder dazu gesellen oder freche Affen einem das Abendessen aus dem Rucksack klauen. Mitunter wird man auch selbst zur Attraktion und fotografiert. Ungefragt. Will man umgekehrt aber Fotos von Ghanaern machen, sind sie hingegen oft nicht einverstanden. Oder wollen Geld dafür. Ausnahme sind natürlich die Kinder, die sofort mit posieren anfangen wenn sie eine Kamera entdecken.

Bei den Souvenirhändlern und Taxifahrern ist die Absicht klar, wenn sie einen ansprechen. Die Möchtegern-Tourguides sind jedoch oft nicht sofort als solche zu erkennen und verwickeln einen zunächst in ein Gespräch. Woher kommst du – wie heißt du – wie lang bist du schon in Ghana? Kurz darauf folgt dann oft doch noch der Haken. Das ist schade, führt das doch dazu, dass man als Reisender recht misstrauisch wird und sich oft nur noch ungern auf ein Gespräch einlässt. So entgeht einem sicher die eine oder andere nette Bekanntschaft.

Begibt man sich etwas abseits der ausgetretenen Pfade, wird man zum Glück nicht mehr nur als wandelnder Geldautomat angesehen. Aufmerksamkeit erregt man dennoch weiterhin, einfach auf Grund der Tatsache, dass sich selten ein Weißer in die Gegenden weit ab der Nationalparks und der Sklavenburgen verirrt. In jedem Dorf kreischen und winkende Kinder, sobald sie einen erspähen. Man fühlt sich ein wenig wie der Papst, wenn man an ihnen vorbeifährt und zurückwinkt. Andere, wie ein junger Mann in einem Ort irgendwo im Nirgendwo zwischen Volta und Northern Region, wollen auch nur einmal einem Weißen die Hand schütteln.

Auch scheinen die Leute freundlicher und hilfsbereiter zu sein: Das Trotro, das umkehrt weil man einen Teil seines Gepäcks (inkl. Laptop) hat liegen lassen; der Eggbread-Verläufer der spätabends seinen Stand alleine lässt um einen zu einer amerikanischen Entwicklungshelferin zu führen, weil man in einem kleinen Kaff gestrandet ist und einen Platz sucht um sein Zelt aufzustellen. Glücklicherweise kann man solche Erfahrungen noch machen, denn  Ghana gehört noch nicht zu den Ländern, die von Touristen überschwemmt werden. Auch wenn es so aussieht, als würde die ghanaische Regierung das Ziel die Zahl der Touristen bis 2020 auf 1 Million zu steigern vorzeitig erreichen, dürfte das noch einige Zeit so bleiben.

Allerdings wird abseits der Hauptrouten das Vorwärtskommen deutlich anstrengender. Während in den südlichen Landesteilen und entlang der Hauptverkehrsadern im Norden die Straßen überwiegend recht gut und nur gelegentlich schlaglöchrig sind, verdienen die Pisten im restlichen Land den Namen Straße kaum. Staubig bis schlammig und von tiefen Furchen durchzogen wird die Fahrt im engen Trotro oder auch mal auf der Ladefläche eines LKWs zur Tortur, blaue Flecken mit eingeschlossen, wenn es stundenlang kaum schneller als Schritttempo vorwärts geht. Wenn es vorwärts geht, denn wo keine Reisenden – ausländische wie einheimische – sind, fährt auch deutlich seltener etwas.

Nützliches und Unnützes für den täglichen Reisebedarf.
Im Allgemeinen kommt man in Ghana aber recht zügig voran, längere Wartezeiten sind eher die Ausnahme. Und falls es dann doch mal etwas länger dauert, hat man immerhin mehr Zeit um sich vom Busfenster aus mit Proviant einzudecken. In Ghana gibt es nämlich einen hart umkämpften Arbeitsmarkt für Straßenhändler. Das führt zu der bequemen Situation, dass man sich vor oder auch während der Fahrt nur aus dem Fenster lehnen muss und ein facettenreiches Angebot an Essen, Trinken sowie nützlichen oder auch unnützen Alltagsgegenständen lautstark präsentiert bekommt. Das ist an kleinen Busstationen in der Provinz nicht anders als an den großen Verkehrsknoten.

Und auch wenn man sich viel abseits der ausgetretenen Pfade bewegt, führen einen auch diese irgendwann wieder zurück zu diesen Verkehrsknoten und auf die bekannten Hauptstrecken, sofern man nicht ganz auf die großen Attraktionen verzichten will. Und dort trifft man dann prompt auch gleich wieder die altbekannten Leute.  Und Kofi Annan? Der ist ein Fanti, der Volksgruppe aus der Gegend um Cape Coast, und wollte wohl einfach nur ein paar Besuchern ein Stück seiner Heimat zeigen.

Fischerdorf und teures Beachresort an der Volta-Mündung, getrennt durch eine Mauer.

Sonntag, 7. August 2011

Fantastic Plastic


Einer der wenigen Mülleimer auf den Straßen.
Der Mensch ist ein Wesen, das Dinge herstellt. Zunächst benutzte der Mensch dazu Holz und Stein, das war in der Steinzeit. Später kamen dann Bronze und Eisen, die ebenfalls den jeweiligen Zeitaltern ihre Namen gaben. Dann kam erst einmal eine ganze Weile nix. Und dann kam Plastik. 

Plastik ist ein extrem praktischer Werkstoff, man kann eine ganze Menge Dinge damit produzieren. Und von dieser Möglichkeit machen die Menschen ausgiebig Gebrauch. Das ist in Entwicklungsländern nicht anders als in den reichen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften. Vielleicht sogar noch ein wenig exzessiver.

Entsorgungsvariante A:  Stadtstrand, Accra
Weil es so praktisch und billig ist, ist es auch in Ghana omnipräsent. Vor allem eignet es sich hervorragend als Verpackungsmittel. Alles wird in Plastik verpackt: Trinkwasser kommt in Plastikflaschen oder, noch besser, eingeschweißt in kleine Plastiktüten zu 0,5l, genannt Satchets. Die sind nämlich deutlich billiger als die Flaschen. Außerdem kann man in Plastiktüten wunderbar Obst verpacken, oder Brot, oder Eier, oder überhaupt Essen, z.B. an den zahlreichen Straßenständen. Leider sind die weit verbreiteten schwarzen Plastiktüten nicht sehr reißfest, weshalb man inzwischen manchmal noch eine zweite oder dritte, stabilere, bunte Plastiktüte darüber bekommt. Kostet ja fast nix. Toll, dieses Plastik.

Es hat nur einen kleinen Haken, dieses Plastik: Es verrottet nicht. Es zu recyceln kostet aber Geld und ist aufwändig. Und so kommt es, dass Ghana ein Müllproblem hat, ein Plastikmüllproblem. Der Plastikmüll ist scheinbar überall: Am Straßenrand, im Abwassergraben, in den Flüssen, im Meer, am Strand, in den Mangroven, im Wald, in der Kakao-Plantage, in der Stadt und auf dem Land. Auf großen und kleinen Müllbergen vor der Stadt oder am Dorfeingang. Ab und zu werden die auch angezündet, was man dann – zusammen mit den Brandrodungen – sogar aus dem Flugzeugfenster sehen kann. Zumindest bei den größeren Haufen.

Entsorgungsvariante B: Abwassergraben
Die Regierung hat auch ihren Teil zum Plastikmüllproblem beigetragen: Bis vor einigen Jahren wurde Trinkwasser auf der Straße offen verkauft. Es wurde in Tassen ausgeschenkt und diese Tassen wurden nach der Benutzung wohl eher selten gründlich abgespült. Das war unhygienisch. Deshalb wurde diese Praxis verboten und Wasser durfte fortan nur noch in den erwähnten Satchets verkauft werden.

Jedoch hatten die Bürokraten nicht bedacht, dass die Dinger, sobald sie leer sind, auch entsorgt werden müssen. Leider sind Mülleimer auf der Straße jedoch ebenso selten wie umweltbewusste Ghanaer, weshalb das leere Satchet meist auf der Straße landet. Von dort spült es der nächste Regen in den offenen Abwassergraben, wo es sich zu der schwarzen Plastiktüte vom Straßenstand gesellt. Von dort gelangt es entweder direkt weiter in den Fluss, oder auch nur bis zur nächsten Ansammlung von noch mehr Plastikmüll. Dann sorgt das Satchet zusammen mit der schwarzen Plastiktüte dafür, dass der Abwasserkanal verstopft und überläuft. Oder sich zumindest das Wasser staut, worüber sich wiederum die Moskitos freuen, weil es sich darin so herrlich Eier legen lässt.
Ganz selten!

Mittlerweile ist das Problem aber so groß, dass sich langsam etwas zu bewegen scheint. Im ganzen Land ist die Firma „Zoomlion“ aktiv. Die kümmert sich um Müllabfuhr und Straßenreinigung, - zumindest ab und zu – und recycelt Satchets.  Auch Plastikflaschen wandern meist nicht in den Restmüll, sondern werden wiederverwertet.
So recht hinter her kommen die von Zoomlion aber nicht, auch wenn sie neben den sehr seltenen, richtigen Müll-LKWs noch etwas häufigere dreirädrige Fahrrad-Müllabfuhr-Dinger einsetzen. Die werden meist per Pedal angetrieben, gelegentlich aber  auch mit einem knatternden Rasenmäher-Motor.

Etwas häufiger.
Es gibt aber auch kreative Ansätze sich mit dem Müllproblem auseinanderzusetzen: „Trashy Bags“ sind aus leeren Satchets zusammengenähte Taschen, Geldbörsen und Rucksäcke von erstaunlich guter Qualität. Auch gibt es gezielte Versuche, das Bewusstsein für die Müllproblematik zu schaffen: So stand das diesjährige „Environmental Film Festival“ in Accra unter dem Motto Müll. Auch mahnt an allen Ecken von Accra der Hinweis „Keep the City clean“.

Allerdings bislang noch ohne rechten Erfolg. Und so schmeißt der durchschnittliche Ghanaer auch weiterhin recht ungerührt sein Satchet und seine schwarze Plastiktüte aus dem Trotro-Fenster. Letztere werden gerüchteweiser übrigens von Zoomlion hergestellt. Aus alten Satchets.

Frommer Wunsch.