Donnerstag, 12. Mai 2011

Von Busreisen, Traumstränden und Zivilisationsfolgeschäden

Eigentlich müsste der Blog jetzt „Akwaaba Abrofo“ heißen (Laut einem der Fahrer in der Friedrich-Ebert-Stiftung ist das der Plural von „Obruni“; Ich habe aber auch schon die Version "Aburoni" gesehen und werde diesem Sprachenrätsel daher weiter nachgehen), denn seit einer Woche habe ich eine Co-Autorin: Steffi ist da! Deshalb nicht wundern, wenn in Zukunft öfter mal von „wir“ die Rede sein wird. 

Da wir ja aber nicht nur zum Arbeiten hier sind und Ghana angeblich auch eine ganze Reihe paradiesischer Strände zu bieten hat, war klar wohin es gehen soll: Ans Meer! Genauer, zur Green Turtle Lodge in der Nähe von Cape Three Points in der Western Region. Die Reiseführer versprechen einen magischen Ort und jeder Praktikant in Accra scheint sie zu kennen oder schon von ihr gehört zu haben. Also, nichts wie hin!

Die Fahrt dorthin entwickelte sich dabei aber zu einer ersten Prüfung für Geduld und Nerven. Die Fahrt sollte rein rechnerisch etwa fünf bis sechs Stunden dauern, mit dem Trotro zunächst nach Takoradi, der nächsten größeren Stadt. Von dort mit einmal umsteigen ebenfalls mit Trotros weiter bis kurz vor Akwidaa, dem nächsten Fischerdorf nahe der Green Turtle Lodge. Daher sollte es spätestens um 12 Uhr aus Accra losgehen um möglichst noch vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen. Soweit der Plan.

Nun, es wurde dann ein wenig später, weshalb wir uns entschieden den Reisebus zu nehmen. Vielleicht ist der ja ein wenig schneller und zuverlässiger als das Trotro. Soweit der naive Gedanke. Als wir um kurz nach ein Uhr am Busbahnhof ankamen, hieße es, der nächste Bus würde um 2.30 Uhr fahren. Nun, nicht ideal, aber immer noch besser als jetzt noch einmal ein Taxi zur Trotro-Station zu nehmen und dann nicht zu wissen, wann das Trotro losfährt.

'Unsere' Hütte
Es wurde 2.30 Uhr, es wurde 3.30 Uhr… kein Bus. „When is it leaving?“ – „Anytime soon“. Aha. ‚Anytime soon’ hieß letzten Endes 16.15 Uhr, die Fahrt begann damit mitten im Berufverkehr. Zusammen mit all den Vorortbewohnern schob sich also unser Reisebus im Stop-and-Go-Verkehr langsam aus der Hauptstadt und es wurde langsam klar, dass der meist recht flüssige Verkehr auf der Ring Road doch eher die Ausnahme darstellen muss.

Mit Einbruch der Dämmerung hatten wir dann endlich Accra hinter uns gelassen. Es wurde dunkel und die Landschaft zog nur noch in Schatten an uns vorbei. Die Leselampen gingen nicht, es blieben damit nur Seifenopern aus nigerianischer Produktion als Ablenkung, die in ohrenbetäubender Lautstärke auf dem Bord-Fernseher liefen.

Fünf Stunden lang, denn dank des Berufverkehrs in Accra waren die eigentlich angesetzten vier Stunden Fahrtzeit nicht mehr zu halten. Dabei tickte die Uhr, wir mussten schließlich noch weiter. Immer wieder der bange Blick auf die Zeit. Immer wieder der Versuch herauszufinden, wo wir uns gerade befinden. Die Frage, wie lange es wohl noch dauern würde, stellten wir schon gar nicht mehr.

Fischerboote in Akwidaa
Um halb 10 waren wir endlich in Takoradi. Tolle Sache. Dunkel war es schon lange, nun waren wir auch noch in einer unbekannten Stadt, die seit Beginn des Ölbooms allerlei ehrliche wie unehrliche Leute in Scharen anzieht. Zu einer Uhrzeit, zu der kein Trotro mehr irgendwohin fährt. Taxis zum Glück allerdings schon noch, wenn auch zu einem ganz ordentlichen Preis. Doch was half es, wir mussten und wollten weiter und hatten es eilig. Der Taxifahrer offenbar auch, er legte jedenfalls eine sehr sportliche Fahrweise an den Tag. ‚Zum Glück kennt er die Straße ja wie seine Westentasche’ war ein wiederkehrender Gedanke.

Nach einer halben Stunde konnte aber auch unser Taxifahrer nicht mehr schnell, dafür war nun die Straße wirklich viel zu schlecht geworden. Auf einer unbefestigten und vom Regen zerklüfteten Schotterpiste ging es noch eine weitere halbe Stunde durch die Nacht, teilweise im Schritttempo, bis wir um kurz nach 11 Uhr endlich angelangten.

Unendliche Erleichterung machte sich breit, als wir schließlich unsere Hütte betraten: Geräumig, und wunderschön eingerichtet. Ein Himmelbett aus Bambus, eigene Dusche und Toilette, alles mit Liebe zum Detail gestaltet. Die Strapazen hatten sich gelohnt. Das Bild setzte sich am nächsten Tag bei Licht fort: Hübsche kleine Rundhütten unter Palmen, ein altes Fischerboot als Bar und ein Traumstrand direkt vor der Türe. In den nächsten Tagen verlor die Zeit zunehmen an Bedeutung, wir verbrachten die Zeit mit Lesen, Baden und leckerem Essen.

Und das alles auch noch mit recht gutem Gewissen: Die Green Turtle Lodge hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Soweit irgend möglich sind alle Gebäude aus lokalen Materialien von lokalen Arbeitskräften errichtet worden. Der Strom stammt aus Solarpanelen, die Toiletten sind selbst-kompostierend.

In der Küche wird der frische Fang aus dem nahegelegenen Fischerdorf zubereitet, was ungefähr so aussieht: Ein kleines Kanu hält kurz vor der Brandung, der Fischer springt ins Wasser und taucht wie Poseidon aus der Brandung wieder auf. Er trägt einen riesigen Fisch an den Kiemen in die Küche. Nach kurzer Zeit kommt er wieder zurück, springt in die Wellen, klettert zurück in sein Kanu (das in der Zwischenzeit wundersamer Weise keinen Zentimeter abgetrieben wurde) und paddelte wieder von dannen. Auch sonst kommen so viele Zutaten wie möglich aus der Umgebung, etwa Obst und Gemüse.

Nachbardorf 'Cape Three Points'.
Ein Teil der Einnahmen aus der Lodge geht in einen Schul-Fond zu Gunsten des Dorfes und in den Schutz der am Strand nistenden Meeresschildkröten. Gleichzeitig sind zahlreiche Arbeitsplätze entstanden, durch die Lodge selbst und durch die angebotenen Touren. Insgesamt arbeiten etwa 30 Leute für die Lodge, was deutlich mehr zu sein scheint als wohl eigentlich nötig wäre.

Doch auch wenn die Green Turtle Lodge wie aus dem Paradies zu sein scheint: Die Realität bleibt immer in greifbarer Nähe. Nicht nur in Accra, auch in dieser ländlichen Gegen gibt es eindeutig ein Müllproblem. Verlässt man den Strandbereich direkt vor der Lodge, der regelmäßig gereinigt wird, ist auch hier alles mit Plastikmüll übersäht. In den Mangroven der nahegelegenen Lagune wiegen sich Plastiktüten in der leichten Strömung.

Die Menschen in Akwidaa leben Großteils in Lehmhütten die nur etwas über dem Meeresspiegel liegen und die so aussehen, als hätten sie einem wirklich starken Regen oder einer Sturmflut nicht viel entgegen zu setzen. Wenn man durch die verwinkelten Gassen streift, erntet man durchaus den einen oder anderen misstrauischen Blick, man fühlt sich irgendwie fehl am Platz.

Nur die Kinder sind äußerst kontaktfreudig. Auch wenn manche tatsächlich nur neugierig sind, so steigert man die eigene Attraktivität doch ungemein, wenn man den Fehler begeht eine Wasserflasche aus Plastik offen mit sich herum zu tragen. Manche wollen einem auch eine Kokosnuss verkaufen, andere fragen aber auch direkt nach einem Cedi, ohne eine Gegenleistung anzubieten.

Unweit des Strandes am Ortsausgang befindet sich die örtliche Müllkippe. Die Plastikdichte steigt in diesem Bereich des Strandes rapide an, der auch als öffentliche Bedürfnisanstalt dient, da so etwas wie Kanalisation oder sanitäre Anlagen nicht existiert. Gleichzeitig ist der Strand aber auch Spielplatz. Am letzten Nachmittag sitzen wir in einer kleinen Bar, am Strand kicken einige Kinder. Es gesellt sich ein Brite zu uns. Als er die fußballspielenden Kinder sieht, kommentiert er, dass die Kinder hier ja eigentlich ganz gesund aufwachsen würden. Von Ironie ist in seiner Stimme dabei aber nicht viel zu bemerken.



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